Altruismus – Kult der Neurotiker? Teil Eins

Man schreibt viel und gerne über die Freiheit und Freiheiten. Medien, Aktivisten und Blogger beklagen soziale Ungerechtigkeit, politische Skandale, Verfolgungen und Inhaftierungen von Regime-Gegnern oder Diskriminierung. Der liberale Westen pocht auf die Omnipotenz seiner demokratischen ideale. Die Demokratie sei zwar nicht perfekt, aber “besser als alles andere”. Das reicht schon um das “alles andere” zu verurteilen und zu maßregeln – bis hin zur militärischen Unterstützung der vermeintlich moralisch Gerechten in ihren souveränen Nationen.

Beispielsweise werden nach Russland vulgäre Feindseligkeiten an Präsident Putin adressiert, weil seine Regierung in der Öffentlichkeit keinen obszönen Exhibitionismus duldet. (Hat der russische Botschafter zu Berlin beim Kanzleramt Beschwerde eingereicht, wegen Verletzung der Menschenrechte im Falle Gustl Mollath?)

China ist Rezipient ständiger moralistischer Einmischungen, weil der 1,3 Milliarden-Staat ein paar renitente mittelmäßige „Künstler“ unter Hausarrest stellt und sein Riesenreich (in unser aller Interesse) vor dem Zerfall bewahren muss. (Hat sich der chinesische Botschafter darüber mokiert, wie die Frankfurter Polizei mit den Occupy Demonstranten umging?) Myanmar war bislang eine geächtete Nation, hauptsächlich weil sie einer ehrgeizigen Dame mit Oxford-Akzent, die sich auf eine kleine Schar Yangooner Intellektuelle stützt, Regierungsbeteiligung verweigert hat. Viele würden gerne die islamischen Länder mit „Victoria’s Secrets“, Gleichberechtigung, Alkohol und Drohnen ins 21. Jahrhundert hinein-zivilisieren.

Das sind alles souveräne Nationen, die von uns ermahnt, belehrt und genötigt werden. Verhalten sich Deutsche nach diesem Muster, weil sie selbst keine Souveränität besitzen – weil wir selbst unsere Kultur, Politik und Gesinnung aus dem Ausland diktiert bekommen? Woher beziehen wir diese arrogante Selbstsicherheit, die wir seltsamerweise gegenüber anderen westlichen Demokratien nicht zeigen, die aber umso stärker hervortritt im Umgang mit anderen gesellschaftlichen Systemen?

Carl Schmitt schrieb 1932 („Begriff des Politischen“): Zur absoluten Feindschaft komme es paradoxerweise etwa dann, wenn sich eine Partei den Kampf für den Humanismus auf ihre Fahne geschrieben habe. Denn wer zum Wohle oder gar zur Rettung der gesamten Menschheit kämpfe, müsse seinen Gegner als „Feind der gesamten Menschheit“ betrachten. In Abwandlung von Pierre-Joseph Proudhons*  Wort “Wer Gott sagt, will betrügen“, heißt es bei Schmitt: „Wer Menschheit sagt, will betrügen“. Die Verallgemeinerung dieser These vollzog Schmitt 1960 in dem Privatdruck „Die Tyrannei der Werte“, in der er den ganzen Wertediskurs ablehnt: „Wer Wert sagt, will geltend machen und durch-setzen. Tugenden übt man aus; Normen wendet man an; Befehle werden vollzogen; aber Werte werden gesetzt und durchgesetzt. Wer ihre Geltung behauptet, muss sie geltend machen. Wer sagt, dass sie gelten, ohne dass ein Mensch sie geltend macht, will betrügen.“ *(1809 – 1865, französischer Politiker, Philosoph und Sozialist)

 Wer sind diese Propheten der Gerechtigkeit, diese Monopolisten der vermeintlichen globalen Werte?

Zunächst sind es machthungrige Politiker, die sich im Einklang mit dem Zeitgeist zu befinden glauben. Urteilslos übernehmen sie die politisch-korrekten Vorgaben der Amerikanischen Progressiven und der Medien um dann, mit antrainiertem populistischem Instinkt, die neuen gesellschaftlichen Normen des guten Europäers zu schreiben – ungeachtet deutscher Kultur und Traditionen. Ihre Anhängerschaft sind Scharen von Hobbysoziologen, profilsüchtigen Sozial-Aktivisten und selbstgefälligen Gutmenschen. Sie alle sind sich einig, dass Konservatismus, Kapitalismus, Privateigentum, Vermögen, Rationalität und Vernunft „böse“ Dinge sind. Dagegen gelten Armutsbekämpfung, Einwanderung, LGBT-Themen, Feminismus, Einstellungsquoten, Mindestlöhne und Umverteilung, sowie Bio,- Öko- Umwelt-Aktivismus, sogenannte „erneuerbaren“ Energien, aber auch Demut, Spendenfreudigkeit und grenzenlose Toleranz „zweifelsfrei“ als coole, gute Sachen.

Dabei wird dem Rest der schweigenden Mehrheit (wenn es denn diese überhaupt noch gibt) keinerlei Wahl über differenzierende Ansichten belassen. Wir dürfen uns dem „Guten“ gegenüber weder gleichgültig noch ablehnend verhalten. Nein, wer Umverteilung und Mindestlohn nicht voll unterstützt, ist ein kapitalistisches Urgestein; wer meint, Windräder sind hässlich und Solarstrom zu teuer und seinen Müll nicht trennt, ist ein Umweltfeind; Sie sind entweder homophil oder ein Schwulenhasser. „Nicht mögen“ gilt nicht – nur ein liebevolles Umarmen von liberalen Programmen, Minderheiten und Randgruppen rettet Sie vor dem Etikett eines asozialen Egomanen.

Die selbstherrliche Arroganz dieser warmherzigen Kreuzritter des modernen Humanismus ist unverschämt und grenzenlos. Nach außen hin sind sie glühende Anhänger der Demokratie und Meinungsfreiheit. Ihre angebliche Toleranz (die sie für ihre eignen Konzepte beanspruchen) ist allerdings nur eine Einbahnstraße; sie reagieren mit hysterischer Aggressivität und verbaler Gewalt gegen jeden, der sich die Freiheit nimmt etwas abzulehnen oder Abneigung zeigt gegen etwas, das auf ihrer Liste der guten Dinge steht. Obwohl Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit eher zu den europäischen Traditionen zählen, kam aus dem Land der Coca-Cola, Hamburger und schnell-rostenden Autos auch ein planvoll strukturierter Altruismus.

Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Diskriminierung sind die unversöhnlichen Erzfeinde der Angepassten und Schuldbewussten. Jede öffentliche Äußerung, jede Geste unterliegt ihrer strengen Kontrolle. „Keinen Millimeter dem Faschismus!“ heißt ihre Devise – auch wenn man dabei selbst zu faschistischen Instrumenten greift. Die Blockwarte der politischen Korrektheit und ihre Denunzianten lauern überall. Ist unserer eigenen Selbstkontrolle doch etwas entwischt – keine Sorge! Dem jeweiligen Schattenkabinett der deutschen Regierung, den Zentralräten der Juden, der Muslime und der Roma und Sinti und andern Gesinnungs-Kontrolleuren entgeht nichts. Unsere zwanghaften Empörungs-Reaktionen auf die NSA-Affäre wirken umso unsinniger, wenn wir unsere Gedanken schon im Vorfeld der Selbstzensur unterwerfen aber uns dann mokieren, wenn sie jemand nochmals korrekturliest.

Es ist zunächst ein Kampf um die Sprache. Als wichtigste kulturelle Institution ist sie auch die wirksamste Waffe gegen Nonkonformisten und selbstständig denkende Bürger. Begriffe werden besetzt, gesegnet und als verbale Keulen bereitgestellt. Frauen, Minderheiten und andere Gruppen unter gesellschaftlichem Naturschutz werden „sprachlich sichtbar“ gemacht (als Eingeständnis, dass sie sonst unsichtbar sind?), Gender werden vermischt und Fremdes auf-Teufel-komm-raus integriert.

Die Literatur, Kunst und Namen von Gebrauchsgüter werden auf potenziell anstößige Begriffe durchsucht und ungeachtet  ihrer Geschichte und Traditionen bereinigt (Achtung: säubern und gleichschalten tun nur Faschisten!). Aus Mohren wurden Südseekönige und im Kongo darf es keine Lügner mehr geben (Pippi Langstrumpf). Nigger und Krüppel verschwanden aus literarischen Klassikern oder wurden zu Sklaven und Behinderten. Negerküsse und jetzt auch Zigeuner Soßen (Knorr) verschwanden aus den Verkaufs-Regalen. In der Österreichischen Metropole organisieren sich einem Gerücht zufolge Kleingeister gegen eine Assoziierung mit „Wiener Würstchen“. Nur die Piraten Partei konnte sich noch nicht auf ihre neuen Namen einigen: „Partei der Nautischen Umverteiler“.

Die christlichen Religionen haben schon lange ihren gesellschaftlichen Einfluss dem Altruismus überlassen. Dessen Stärke liegt darin, dass er seinen irrationalen Mystizismus hinter einer modernen und progressiven Fassade verbergen kann. Seine Stätten der Andacht sind öffentliche Proteste und Kundgebungen, Asylantenheime, Arbeits- und Sozialämter und Mahnmale des Nationalsozialismus. Der Altruismus ist die einzige Religion, die auch Atheisten ein warmes Zuhause bietet – solange sie sich nicht durch rationale Vernunft beirren zu lassen. Ihre Ikonen sind die Opfer sozialer Ungerechtigkeit und des Kapitalismus, Unterprivilegierte jeglicher Art und Gegner nicht-demokratischer Regime.

Dies ist der erste Teil einer vierteiligen Reihe in Zusammenarbeit mit „alphachamber“ !

11 Gedanken zu „Altruismus – Kult der Neurotiker? Teil Eins

  1. Hervorragend argumentiert! Ich wundere mich, dass die Gutmenschen hier noch nicht Amok laufen:-)

  2. Vielen Dank, Susanne Kablitz und alphachamber, für diesen lesenswerten Artikel!
    „Die Literatur, Kunst und Namen von Gebrauchsgüter werden auf potenziell anstößige Begriffe durchsucht und ungeachtet ihrer Geschichte und Traditionen bereinigt“.
    Stimmt. Unsere gutmenschlichen Blockwarte haben es geschafft, dass aus Negerküssen “Schokostrolche” wurden und Pipi Langstrumpfs Vater kein “Negerkönig” mehr ist, sondern zum “Südseekönig” ernannt wurde, was wohl eine weitaus größere Missachtung seiner Hautfarbe darstellt.
    Egal, es stellt sich eine viel wichtigere Frage:
    Betrifft diese neue Sprachregelung auch die Schriften sozialistischer Götzen, wie: Karl Marx, August Bebel, Rosa Luxemburg, Erich Mühsam, Jura Soyfer, Egon Erwin Kisch, Berthold Brecht, Kurt Tucholsky, Jean Paul Sartre, Heinrich Böll, Che Guevara und Rudi Dutschke, die bekanntlich mit Ausdrücken, wie “Neger” oder “Nigger” nicht allzu zögerlich umgingen?
    Müssen die Werke all dieser linken Heilsbringer nun ebenfalls umgeschrieben werden, und was wären die Folgen?
    Wird es womöglich zu respektlosen Reaktionen kommen, wenn Rosa Luxemburg das Schicksal der Schokostrolche auf den Baumwollplantagen beklagt, oder Rudi Dutschke die Befreiung der Südseekönige aus den amerikanischen Ghettos fordert?
    Nicht auszudenken, wenn die Sozialistische Idee dadurch lächerlich würde!
    Warum ich heute schon lache, weiß ich selber nicht.

  3. Nicht lange grübeln, einfach mal wieder „1984“ lesen. Genau darauf läuft das alles hinaus. Kann man nur sagen:“Schöne neue Welt“

  4. Furchtbar, wie hier alles wild zusammengewürfelt und Zielgruppengerecht ideologisch wieder zusammengesetzt wird.
    Und das weder clever noch schwer durchschaubar.
    Gähn. Aber für den Applaus der Gesinnungsgenossen reicht es scheinbar. Naja.

  5. Lieber „Ichbindafür“: Deswegen sind wir Ihnen sehr dankbar, dass Ihre Gegenargumentation zum einen wirklich clever und und zum anderen schwer zu durchschauen ist!

  6. Zum Thema „Gender“ möchte ich an dieser Stelle auf einen (Pflicht)Film verlinken, der die arrogante, nahezu an religösen Dogmatismus erinnernde Haltung der sog. Gender“Wissenschafter“ aufzeigt…

  7. Ich frage mich ja immer was diese Menschen wie „ichbindafür“ morgends zum Frühstück essen? Welche Gesinnung haben solche Menschen, was treiben solche den Ganzen Tag?
    Zumindest haben Sie teilweise den Text gelesen, wenn auch nicht verstanden, aber das kann ja noch werden.
    Danke Frau Kablitz

  8. Absolut Lesenswert! Prima! – Was ich allerdings bei all den Libertären, die ich kennengelernt habe, nicht so recht verstehe, ist, wie sie ihr Verhältnis zur Nation definieren. Denn „das Volk“ – Sie weisen sehr gewichtig auch auf die Besatzung dessen Sprache hin – : Was ist das, ist das überhaupt was, im Sinne der Libertären?
    Der Penseur hat mich übrigens mit seinem Link wieder hierhergeführt. Dank auch ihm dafür.
    Sie haben Mut, Frau Kablitz. Und Ihre Sprache ist also gediegen wie stringent. Brava.

  9. Lieber Herr Göller,

    herzlichen Dank für Ihre Worte und auch von unserer Seite einen nochmaligen Dank an „Lepenseur“!:-)
    Nun, was ist „das Volk“ aus libertärer Sicht? Ich würde es wohl so am ehesten beschreiben: Völker sind frei entstandene Gruppen mit gemeinschaftlicher Sprache, gemeinsamen Sitten und gemeinsamen Rechtsvorstellungen!
    Viele Grüße

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