Großmutter Matties Gold-Keksdose

In meiner Kindheit holte meine Großmutter immer die große Keksdose heraus, wenn sie der Meinung  war, dass irgendjemand in unserer Familie etwas getan hatte, das ihr Wohlwollen hervorrief. Meine Großmutter war eine hervorragende Bäckerin; ihre Kuchen, Torten und Plätzchen ließen uns alle in Freudentaumel fallen, wenn es eine Feier oder einen sonstigen Anlass gab, bei denen ihre Back-Künstlerhände einfache Zutaten wie  Mehl, Zucker und Butter in Meisterwerke verzauberten, die jeden festen Vorsatz, endlich mal wieder ein paar Kilos abzuspecken, in bloße Absichtserklärungen verwandelten.

Ich war sechzehn, als sie das Zeitliche segnete und ihre Backkunst in den Himmel verlegte, wie sie uns augenzwinkernd tröstete, wenn die Sprache auf ihren Tod kam. Ich hatte das erste Mal herzaufzehrenden Liebeskummer, ja, die Welt drohte über mir einzustürzen. Niemand konnte mir helfen – außer Oma Mattie. Sie drückte mich an ihre Brust und ließ mich nach einer für mich endlos langen Zeit der tiefen Trauer wieder lächeln.

„Du wirst lieben, Sophia, eines Tages, wirst du wirklich lieben und dann wird dir dieser Schmerz im Moment ganz klein vorkommen. Wenn du sehr viel Glück hast, wirst du so sehr lieben, dass es für ein Leben reicht. Bis dahin weine und leide, das haben wir alle getan. Aber es geht vorbei, irgendwann! … Denn … echte Liebe ist das, was übrig bleibt, wenn alle Fehler aufgedeckt sind. Liebe ist das, was übrig bleibt, wenn alle Illusionen zu Schall und Rauch geworden sind. Liebe ist das, was nur wenigen Menschen vergönnt ist … ein so tiefes Gefühl, dass alles andere daneben verblasst. Ein Gefühl, dass man bereit ist, mit dem geliebten Menschen durch jedes Tal der Tränen zu gehen. Liebe ist, den anderen so zu nehmen, wie er ist.“

Es sind ihre Grübchen, die ich nie vergessen werde und ihre strahlend weißen Zähne, die sie uns bis ins hohe Alter zeigte. Pünktlich mit dem Verschwinden meines Liebeskummers nahm Oma Mattie Abschied von uns … ihr Timing war stets perfekt gewesen.

Großmutter Mattie ist eine echte Marke gewesen. Die Mutter meines Vaters war schon lange tot und ich wusste nicht, warum mir gerade jetzt ihre Worte einfielen. Mathilde, die von allen nur Mattie genannt wurde, war zeitlebens ein Feger, eine Frau wie ein Wirbelsturm … selbst kurz vor ihrem Tod hatte sie noch viel gelacht. So, als würde sie sich im Himmel bewerben wollen.

Meine Großeltern hatten nicht viel besessen, aber Oma Mattie war der festen Überzeugung, dass die da oben zu schätzen wüssten, dass sie immer noch eine fleißige Frau sei. Sie sagte immer, dass Gott sie ohne langes TamTam zu sich holen würde … und sie behielt recht. Eines Tages fiel sie komplikationslos um und Opa Konrad war von da an noch neun Jahre ein ebenso fröhlicher Witwer, wie er ein fröhlicher Ehemann gewesen war.

Nun, die Keksdose war ihr Heiligtum; wir wussten, dass nur die besten Plätzchen den Weg in die Dose fanden und dass wir schon fast nur deshalb als Kinder permanent den eisernen Willen zu höflichem und respektvollen Umgangsformen mit unseren Mitmenschen pflegten, um eines davon vernaschen zu dürfen.

Meine Großmutter legte ausgesprochenen Wert darauf, ihren Mitmenschen Achtung entgegenzubringen,  forderte diese von ihr für selbstverständlich erachtete Charaktereigenschaft jedoch auch bei anderen kompromisslos ab. Sie war eine sehr stolze Frau, nie ließ sie sich von anderen Menschen etwas sagen oder einreden, wovon man sie nicht überzeugen konnte. Aber sie respektierte das Recht und die Freiheit der anderen. Und sie war auf der ständigen Suche nach der Wahrheit. Meine Großmutter hatte stets große Schwierigkeiten, wenn sie das Gefühl hatte, das ihr jemand in ihr Leben pfuschen wollte und ihr nahezulegen „versuchte“, was sie zu denken, zu tun oder zu lassen hatte.

Sie wurde nie müde, uns in nächtlichen Gesprächen und bei einem Glas heißer Milch mit Honig den Wert der Freiheit als das höchste Gut in unser aller Leben zu verdeutlichen. Sie schien bei diesem Thema nie müde zu werden – eher war es so, dass aus einer Frau, die ihre Jugend an Jahren lange hinter sich hatte, wieder ein junges Mädchen wurde, das vor Energie nur so bebte. Wenn sie mit Menschen zusammentraf, die das Wort „Freiheit“ nur deshalb im Munde führten, um eigene Interessen auf Kosten anderer mit aller Macht zu installieren und dabei aus den Ahnungslosen Trottel zu machen versuchten, wurde sie fuchsteufelswild.

Sie hatte als junge Frau am eigenen Leib erfahren, wie trickreich die vom „Gemeinwohl“ Schwafelnden vorgingen; sie hatte am eigenen Leib erfahren, wie leicht die Menschen in den eigenen Abgrund zu führen waren, wenn dieser Weg ihnen mit dem Versprechen der „sozialen Gerechtigkeit“ versüßt wurde.

Sie hatte ihren Enkeln unzählige Beispiele erzählt, mit welchen Plattitüden es in der Vergangenheit gelungen war, die Menschen mit wohlklingenden, watteweichen Worten zu umgarnen, nur um diese vertrauenswürdigen, naiven Menschen sogleich – welche eine miese Menschennummer – mit deren voller bewusstseinsmanipulierten Unterstützung bis auf die Unterbuxe auszuziehen.

Meine Großmutter war 1907 geboren worden und sie war nie reich an Geld gewesen. Aber sie hatte Verstand und sie hatte Ehrgefühl und niemals wäre es ihr in den Sinn gekommen, anderen etwas von deren Besitz mit der erbärmlichen Begründung, dies sei „sozial gerecht“, zu stehlen!

Meine Großmutter ist schon seit vielen Jahren tot aber in manchen Stunden, in denen ich mich frage, warum die Menschen immer noch daran glauben, was vermeintliche Menschenfreunde aller Couleur ihnen versprechen, dann höre ich sie zu mir sprechen: “Es ist unbegreiflich, mit welcher Verschlagenheit die vermeintlichen Gutmenschen immer wieder dieselben Sachen ohne jegliche Reue predigen können – Phrasen, die die Menschen um ihre Zukunft bringen … Noch unbegreiflicher ist, dass diese Plappermäuler nicht mit Schimpf und Schande verjagt werden. Es ist unbegreiflich, dass die Menschen nicht erkennen, dass eine Gesellschaft, die ihre Wirtschaftskraft auf einem Falschgeldsystem aufbaut, zum Scheitern verurteilt ist. Es ist unbegreiflich, dass die Menschen nicht erkennen, dass sozialistische Profiteure zwangsläufig ein nicht wertgedecktes, beliebig vermehrbares Papiergeld propagieren, um ihre Quacksalbereien vom Umverteilungssegen ausschließlich zu ihrem eigenen Vorteil  zu installieren. Es ist unbegreiflich, dass Menschen nicht erkennen, wer ihr Freund und wer ihr Feind ist“!

Ich vermisse meine Großmutter, die neben ihrer Zauberhände-Keksdose auch immer die Gold-Keksdose aufbewahrte.

Sie liebte die Gold- und Silbermünzen, die sie uns in den nächtlichen Gesprächen in die Hände gab. „Das, meine Lieben, sind Werte. DAS – meine Lieben – ist Geld!“ Vertraut nicht auch nur einem einzigen Menschen, der euch weismachen will, dass die Arbeits- und Geisteskraft von Menschen in einem Wert zu messen sein darf, den ausschließlich Regierungen und Banken unter ihrer Kontrolle und ihrem Einfluss haben.

Regierungen handeln niemals zu eurem Wohl – stets zu ihrem eigenen. Kriege werden immer von Regierungen ausgelöst, das Geld verliert immer dann massiv an Wert, wenn Regierungen es zu ihrem eigenen Vorteil durch Massenherstellung entwerten lassen.

Vertraut niemals jemandem, der euch einredet, dass er mit dem Ertrag eurer Arbeit besser umgehen kann als ihr selbst das könnt! Vertraut auch niemandem, der euch einredet, irgendwo auf dieser Welt gäbe es EINE einzige Stelle, die euren Arbeitsertrag besser zu handhaben weiß als ihr dies tun könnt. Dies sind alles Menschenfänger, die euren Verstand gering schätzen und euch beleidigen.

Seid nicht so geringgeistig, dass ihr euch von den Schwätzereien beeindrucken lasst, die diese Umverteilungskönige predigen. Schaut euch deren eigenen Besitz an, schaut euch an, ob auch nur ein einziger armer Mensch in deren Häusern Speis und Trank genießt. Schaut euch an, was sie mit ihrem eigenen Geld, was sie euch zwangsweise abgenommen haben, anstellen. Schaut euch an, womit sie eigene Ersparnisse bilden. Und dann schaut euch an, was sie euch raten. Und schaut euch an, warum sie dies tun. Sie brauchen euch als Lakaien, denn ohne euch Lakeien würden sie nach zwei Tagen verhungern. Sie schaffen keine eigenen Werte, sie saugen nur die der anderen aus.

Geht mit wachem Blick durch diese Welt und lasst euch nicht für dumm verkaufen. Die einzige Gerechtigkeit, die wahrhaftig funktioniert, ist die Selbstgerechtigkeit.

Niemand kann sich davon freisprechen oder er ist ein Lügner. Niemand handelt ausschließlich zum Wohl des anderen; meist sind es sogar genau die, die besonders laut nach „Reichtum für Alle“ brüllen, die sich selbst am wohlwollendsten beglücken.“

Wenn ich an die Worte meiner Großmutter denke, dann frage ich mich, warum wir immer wieder am gleichen Punkt landen. Müssten wir nicht langsam gelernt haben? Gibt es nicht genügend Literatur und andere Quellen, die uns beweisen, dass wir mit den sozialistischen Glücksballons alle brutal abstürzen. Sind wir denn wirklich so vernagelt, dass wir nicht erkennen, wer uns hier wirklich an der Nase herumführt? Stürzen wir ins Bodenlose, wenn wir erkennen, dass wir auch diesmal wieder auf Scharlatane hereinfallen?

Ich wünsche mir sehr, dass es noch nicht ganz zu spät ist – wenn ich auch nicht mehr viel Hoffnung habe. Aber wer nicht hören will, muss eben fühlen. Auch das hat meine Großmutter mir beigebracht!

Auszug aus „Bis zum letzten Atemzug“

Dieser Artikel erschien zunächst bei freiraum – Das Magazin für klassischen Liberalismus

Bildquelle: flickr. / John Louis

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